Diversität

Inhaltsverzeichnis

UNSEEN

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Liebe Leser*innen,

wir freuen uns sehr, Sie in dieser Jubiläumsausgabe zum 50. BMW BERLIN-MARATHON begrüßen zu dürfen. Dieses herausragende Ereignis ist ein Meilenstein in der Geschichte des Laufsports und bietet eine wertvolle Gelegenheit, die Themen Inklusion und Diversität, die uns besonders am Herzen liegen, hervorzuheben.

Als die Rollstuhlsportlerin Catherine de Brunner 2023 in der Weltrekordzeit von 1:34:16 die Ziellinie des BMW BERLIN-MARATHON überquerte, waren wir fasziniert von ihrer unglaublichen sportlichen Leistung. Kurze Zeit später fiel jedoch auf, dass ihr Erfolg nur selten fotografisch festgehalten wurde. Das ist symptomatisch für Sportler*innen mit Handicap: Obwohl sie immer mehr Zugang zu sportlichen Wettkämpfen haben, erhalten sie noch immer weniger Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit.

Seit wir unsere Debüt-Ausstellung während des BMW BERLIN-MARATHON 2023 ins Leben gerufen haben, verbindet UNSEEN die scheinbar zusammenhanglosen Welten zwischen Kunst und sportlicher Bewegung; eine global verbindende Fotoausstellung und Panel-Talk-Serie, die von Marathon zu Marathon reist – von Berlin über Bali bis nach New York City. Es werden Fotografien und künstlerische Werke präsentiert, die sich dem Laufsport widmen und unerzählte sowie ungesehene Aspekte ins Licht stellen. Bei UNSEEN vereinen sich Kunst und Laufleidenschaft zu Bildern, die im Gedächtnis bleiben.

In Berlin kommen Menschen aus aller Welt zusammen und begegnen sich. Der Austausch zwischen diesen vielfältigen Hintergründen bereichert die Stadt und wird jedes Jahr beim BMW BERLIN-MARATHON spürbar. Berlin, als Regenbogenhauptstadt, steht für Vielfalt und Inklusion, indem es Selbstbestimmung und Akzeptanz geschlechtlicher sowie sexueller Diversität fördert. Im Laufsport bedeutet jeder Schritt mehr als nur ein Schritt nach vorne; er steht für Stärke, Resilienz und Identität. Laufen ermöglicht marginalisierten Gruppen, mit anderen sozialen Gruppen in Kontakt zu treten und voneinander zu lernen.

Es ist uns eine große Ehre, die Jubiläumsausstellung im MOVE - Home of the Marathon mitgestalten zu dürfen. Das Team UNSEEN dankt SCC EVENTS herzlich für die Zusammenarbeit. Wir freuen uns, gemeinsam dieses Jubiläum zu feiern.

Mit sportlichen Grüßen
Clarisse

Inklusion und Vielfalt

Seit 50 Jahren zählt der BMW BERLIN-MARATHON zu den größten Laufevents weltweit und setzt 2024 einen besonderen Akzent auf Inklusion und Vielfalt. Besonders wichtig ist es, trans* und inter* Menschen der LSBTIQ*-Lauf-Community zu berücksichtigen, da sie im Sport häufig Diskriminierung erfahren.

Die Wanderausstellung „UNSEEN“ von Clarisse Oberle, die während des BMW BERLIN-MARATHON 2024 gezeigt wird, verbindet Kunst und Bewegung. Sie bringt bislang ungesehene und unerzählte Geschichten des Marathons zum Leben und lädt ein, die Erfahrungen marginalisierter Gruppen zu reflektieren. Dieser Ansatz ist überfällig und bereichernd für unser Engagement in allen gesellschaftlichen Bereichen.

Das Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verpflichten öffentliche Stellen dazu, Vielfalt zu fördern und Diskriminierung abzubauen. Im Marathon-Kontext bedeutet dies, ein inklusives und diskriminierungsfreies Umfeld zu schaffen. Auch im Alltag sollte dieses Ziel stets im Vordergrund stehen. Als Queer- und Antidiskriminierungsbeauftragter des Bezirksamts Mitte setze ich mich gemeinsam mit meinen Kolleg*innen dafür ein, Diskriminierung zu unterbinden, Chancengleichheit zu gewährleisten und faire Behandlung sowie gleiche Zugangsmöglichkeiten zu fördern.

Ich wünsche den Leser*innen dieses Magazins und den Besucher*innen der Ausstellung viele spannende Einblicke und erkenntnisreiche Erfahrungen.

Martin Vahemäe-Zierold

Queer- und Antidiskriminierungs-beauftragte*r (QA), Bezirksamt Berlin Mitte

Panel Diversität

Im Rahmen der Ausstellung zum 50. Jubiläum des BMW BERLIN-MARATHON im MOVE findet am 21. September das Podiumsgespräch „Breaking Ground“ zum Thema Diversität und LSBTIQ* Laufcommunity in Berlin statt.

Zum Programm

Grußwort

Alfonso Pontisano

Panelist*innen

Noah Heckhoff
Daniel Marin Medina
Greta Graf
Hong Anh Pham

Moderation

Cathérine Ngoli

Awareness-Team

BDB e.V.

Breaking Ground

Greta Graf aus Berlin ist derzeit in der Abschlussklasse der Ostkreuzschule für Fotografie. Greta ist gleichermaßen in Berlin und London zu Hause und nutzt die Fotografie als Storytellerin und als Aktivistin. Greta ist bereits mehrere Marathons gelaufen, darunter den Berlin Marathon, den New York City Marathon und in diesem Jahr den Chicago Marathon.

Breaking Ground ist eine Fotostrecke, die die LSBTIQ*-Lauf-Community Berlins in den Mittelpunkt stellt. Der Zusammenhalt von Läufer*innen in ihrer Vielfalt zeigt, wie verbindend Laufen ist. Ein gemeinsames Gefühl der Freiheit beim Laufen wird Teil einer gemeinsamen Identität innerhalb dieser Vielfalt. Bilder und Geschichten queerer Läufer*innen mit verschiedenen kulturellen Hintergründen zeigen Einblicke in die Gemeinschaft und betonen ihre Stärke und Resilienz. Ihr Ziel ist es, nicht nur als Sportler*innen, sondern auch als Individuen Anerkennung zu finden, Brücken zu schlagen und das Bewusstsein für die Belange der queeren Community über ihre Grenzen hinaus zu fördern.

Daniel Marin Medina

Ich bin Daniel Marin Medina (he/him), ein in Kolumbien geborener amerikanischer Künstler, Schriftsteller und Läufer, der seit sieben Jahren in Berlin lebt. Ich laufe seit 20 Jahren; es ist ein Teil von mir, egal, wo ich hingehe, und einer der Hauptgründe, warum ich nach Berlin gezogen bin.

Erst durch das Laufen habe ich meinen Körper wirklich verstanden. Als Kind war mein Spitzname „Flaco“ (Dürr) nicht gerade ermutigend, aber beim Laufen wird mein schlaksiger Körper als kraftvoll angesehen. Das Laufen für mich zu entdecken und gleichzeitig meine Sexualität zu erkunden, war lebensrettend.

Leistungssport ist nicht inklusiv, aber es gibt Menschen aus allen Spektren, die teilnehmen wollen. Zugangsbeschränkung sorgt dafür, dass sie aus marginalisierten Gruppen ausgeschlossen bleiben.

Ich habe mich immer unter Druck gesetzt, der perfekte braune, schwule Läufer zu sein. Ich weigerte mich, als Erster langsamer zu werden oder während des Laufens Wasser zu trinken – zusätzliche Belastungen, die andere im Team nicht hatten. Die alltägliche Homophobie oder Kommentare zu meinem Deutsch sind auch Stressfaktoren, die die Privilegiertesten nie verstehen werden.

Je älter ich werde, desto einfacher und gleichzeitig schwieriger wird es, mir eine inklusive Lauf-Community vorzustellen. Vielfältige Räume sind so wichtig, damit sich Menschen gesehen und sicher fühlen, aber ihre Aufrechterhaltung ist schwierige und oft unbezahlte Arbeit. Als Mitgründer eines Laufclubs habe ich erlebt, welche enorme Kraft inklusive Räume geben – aber auch, wie viel Arbeit dahinter steckt.

Ramona Tyler

Hallöchen! Ich bin Ramona Tyler (they/them), ein in Philadelphia geborener Linguist und Cellist, der seit 13 Jahren in Berlin lebt. Ich laufe am liebsten Ultramarathons und habe PACE gegründet, einen FLINTA*-Laufclub mit einem Fokus auf Inklusivität.

Das Laufen hat meine psychische Gesundheit und die Beziehung zu meinem Körper sehr positiv beeinflusst. Sowohl die Transition als auch das Ausdauerlaufen erfordern Geduld und Vertrauen in den Prozess. In beiden Fällen ist es wichtig, liebevoll mit sich selbst umzugehen und den Weg ebenso zu genießen wie das Erreichen des Ziels.

Eine inklusive Lauf-Community ist intersektional: Sie feiert alle Geschlechter, Sexualitäten, Hintergründe, Neurodivergenzen, Dis/Abilities und Niveaus. Ihre Mitglieder sind bereit, zu (ver-)lernen und sich gegenseitig zu unterstützen. Ich glaube, dass Menschen grundsätzlich offen dafür sind, ihren Horizont zu erweitern. Trotz Fortschritten, wie der Einführung der nicht-binären Kategorie, hinken kleinere Events noch hinterher. Hohe Startgebühren und weniger Zugang zum Training begrenzen weiterhin die Chancen marginalisierter Gruppen. Wir brauchen mehr sichtbare queere Räume im Freien, jenseits des Nachtlebens.

Allerdings tragen die Betroffenen oft die Hauptlast der unbezahlten emotionalen Arbeit, und die Erhaltung inklusiver Räume erfordert großen Einsatz. Es hat mir so viel bedeutet, eine Community im Sport zu finden, und ich freue mich, dass ich dies nun durch PACE weitergeben kann.

Greta Graf

Hi, ich bin Greta (they/them), Long Distance Runner und Photographer, lebe in Berlin und London. Vor über 10 Jahren habe ich alleine mit dem Laufen begonnen. Erst 2019 entdeckte ich WAYV Run Kollektiv, eine inklusive Berliner Laufgruppe. Bis dahin wusste ich nicht, dass es solche Räume gibt; ich dachte, Laufen sei ein Einzelsport. Jetzt bedeutet mir meine Lauf-Community, Joy Run Collective, viel mehr als nur eine Gruppe zum Laufen.

Ich glaube, dass ein gesunder Körper helfen kann, wenn man sich schlecht fühlt. Er erinnert mich daran, dass, solange ich laufen kann, ich auch existieren kann.

Eine inklusive Lauf-Community sollte Platz für alle bieten, was derzeit nicht der Fall ist. Es ist ein Ort, an dem sich marginalisierte Menschen sicher(er) fühlen und nicht nur als Tokens für Pride oder den Black History Month genutzt werden. Mein Laufteam ist eine kleine Utopie, in der wir den Traum von Gleichheit teilen.

Leistungssport ist nicht inklusiv. Manche trans* Läufer*innen können nicht in ihrer Geschlechtskategorie antreten. Für mich ist Inklusion, wenn Männer es nicht ertragen können, von einer FLINTA*-Person überholt zu werden. Das ist inklusiv, weil ich es kann, und sie können mich nicht stoppen. Aber es gibt auch Hürden vor dem Wettkampf, wie die Zugänglichkeit.

Wir kämpfen für inklusive Räume, weil viele von uns Ausgrenzung erlebt haben. Laufen kann einschüchternd sein, besonders für marginalisierte Menschen.

Noah Heckhoff

Mein Name ist Noah Heckhoff (er/ihm oder keine), seit 3 Jahren koordiniere ich das Projekt „Berliner Queer-Bündnis“ des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg und durfte im Rahmen dessen bei mehreren Laufevents des SCC Events mitlaufen.

Laufen ist der Sport, den ich auch am Anfang meiner Transition problemlos ausüben konnte. Keine binären Umkleidekabinen, keine offenen Duschen in Vereinshäusern und kein Team, welches sich potenziell diskriminierend mir gegenüber äußern kann.

Wettkämpfe, getrennt nach binärem Geschlechtsmodell, sind prinzipiell nicht inklusiv, da wir an veralteten Praktiken festhalten - insbesondere die Bewertung von Leistung gemessen an dem zugeschriebenen Geschlecht der*des Sportler*in. Dabei sollte immer im Mittelpunkt stehen, dass jeder Mensch das Recht darauf hat, bei Wettkämpfen mitmachen zu können.

Eine inklusive Lauf-Community ist nicht reaktiv, sondern proaktiv. Es reicht nicht, ausgegrenzten Menschen einen Platz zu gewähren; es muss proaktiv dafür eingestanden werden, dass diskriminierende Strukturen und Verhaltensweisen keinen Platz haben. Selbst in sensibilisierten Gruppen und Vereinen erfahren viele Menschen Diskriminierung. Daher sind Safer Spaces für ausschließlich queere/TIN* Menschen ein absolutes Muss.

Es benötigt eine solidarische Kultur, in der keine Form von Menschenfeindlichkeit geduldet wird. Betroffene sollten nicht selbst für sich einstehen müssen.

Katharina Hoffmann

Mein Name ist Kathi Hoffmann (sie/ihr).
Vor ungefähr 12 Jahren habe ich Deutschlands erste unabhängige Running Crew, „Run Pack Berlin“, mitgegründet – als einzige Frau neben fünf Männern. Lange war ich die einzige FLINTA*-Person im Lead einer Running Community. Zum Glück sind diese Zeiten vorbei, und wir sind seitdem deutlich vielfältiger geworden.

Seit über einem Jahrzehnt lade ich meine Community am Abend vor dem 8. März, dem Internationaler Frauentag (IWD), zum gemeinsamen Laufen ein, um auf unsere Herausforderungen im Sport und darüber hinaus aufmerksam zu machen. In den letzten vier Jahren hat sich dieses Event zu einer angemeldeten Demonstration entwickelt, wie z.B. der RUN AGAINST RACISM Protest Run 2023.

Für viele Läufer*innen, insbesondere FLINTA* und BIPOC*-Personen, sind Sicherheitsmaßnahmen wie Selbstverteidigungskurse oder das Teilen des Standorts die Norm. Als Mutter von zwei Töchtern (14 und 18 Jahre alt) kann und will ich nicht akzeptieren, dass wir uns draußen nicht sicher fühlen können.

Echter Wandel erfordert Solidarität, Bildung und Mut von denen, die nicht direkt betroffen sind. Wir brauchen Allies, die sich ihrer Privilegien bewusst sind, um eine Gesellschaft zu schaffen, in der marginalisierte Gruppen sich sicher und selbstbewusst bewegen können. Erst dann wird Laufen das kraftvolle Tool für Selbstliebe und Empowerment sein, das es sein kann, besonders für diejenigen, die Diskriminierung erfahren. Gemeinsam können wir eine lebendige und vielfältige Kultur schaffen, in der sich alle wohlfühlen.

Jarred Kennedy-Loving

Hi, mein Name ist Jarred Kennedy-Loving (they/he). Seit fast 5 Jahren bin ich Teil der Berliner Lauf-Community. Früher war ich Co-Captain bei WAYV Run Kollektiv, jetzt bin ich Mitglied bei Joy Run Collective.

Das Langstreckenlaufen hat mir geholfen, besser mit meinem Körper in Kontakt zu treten. Als Sprinter an der Uni hatte ich mit meinem Körperbild und Vorstellungen von Männlichkeit zu kämpfen, was zu einer ungesunden Einstellung zum Sport geführt hat. Durch das Langstreckenlaufen habe ich gelernt, wie eine Freundin sagt, „meinen Körper dort zu treffen, wo er am Tag ist“. Laufen aus purer Freude und die Gestaltung von Gemeinschaftsräumen lässt mich in meinem Körper komplett wohl fühlen.

Ob Leistungssport inklusiv ist, hängt von der Sportart ab. Die WNBA hat Schritte in Richtung Inklusion unternommen, aber Laufen ist noch weit davon entfernt, ein inklusives Erlebnis zu bieten. Während einige internationale Wettkämpfe eine nicht-binäre Kategorie eingeführt haben, bieten die meisten immer noch nur „weiblich“ oder „männlich“ Startfelder an. Dies ist eine strukturelle Hürde für viele queere Läufer*innen, die überwunden werden muss.

Meine Vision einer inklusiven Lauf-Community ist ein Raum, in dem sich marginalisierte Menschen unabhängig von Herkunft, Geschlechtsidentität und -ausdruck, (Dis-)Ability, sexueller Orientierung oder Klassenzugehörigkeit sorgenfrei bewegen und laufen können.

Victoria Ash

Mein Name ist Victoria Ash (sie/ihr). Ich bin vor 3 Jahren zum Studieren nach Berlin gezogen. Während großer Lebensveränderungen begann ich mit dem Laufen, um meine Emotionen zu bewältigen. Das Laufen wurde schnell zu meiner größten Stütze, als ich mein neues Leben hier aufgebaut habe.

Beim Laufen fühle ich mich lebendig. In schwierigen Zeiten, wenn ich kurz davor bin, die Hoffnung zu verlieren, gibt mir das Laufen Stabilität. Ich kann jederzeit meine Schuhe schnüren, die Stadt erkunden und alles andere hinter mir lassen.

Ist Leistungssport inklusiv? Definitiv nicht. Obwohl einige Wettkämpfe eine offene Gender-Kategorie haben, ist es fraglich, ob sie für Transgender-Frauen* einen sinnvollen Wettbewerb bieten können. Und Frauen* mit Geschlechtsvarianten werden oft unter Druck gesetzt, sich einer testosteronsuppressiven Behandlung zu unterziehen. Sportorganisationen müssen die individuellen körperlichen Merkmale aller Athlet*innen anerkennen.

Einmal reiste ich nach Glasgow, um einen Trailrunner zu interviewen. Aber als ich erwähnte, dass ich queer bin, sagte er plötzlich ab. Diese Erfahrung erinnert mich daran, dass man leider an vielen Orten auf der Welt vorsichtig sein muss, wenn man sich zu seiner Sexualität und Geschlechtsidentität äußert.

Eine inklusive Lauf-Community ist für mich eine unterstützende und nicht-wettbewerbsorientierte Community, in der Geschlechtergrenzen verschwimmen, Vorurteile keine Rolle spielen und sich alle frei äußern können.

Hong Anh Pham

Mein Name ist Hong Anh Pham (sie/they) und ich laufe in Berlin. Im Januar 2020 begann ich mit dem Laufen und meldete mich für meinen ersten Halbmarathon in London an. Obwohl der Lauf abgesagt wurde, lief ich dennoch einen Halbmarathon um den Müggelsee. Ein Freund bastelte mir sogar eine Startnummer und eine Medaille aus Pappe, um mein erstes Rennen zu zelebrieren.

Das Laufen hat mein Körpergefühl verändert. Früher achtete ich vor allem auf mein äußeres Erscheinungsbild, anstatt darauf, was mein Körper leisten kann. Heute unterstütze ich meinen Körper bestmöglich, um meine sportlichen Ziele zu erreichen, und fühle mich dadurch zufriedener in meinem Körper.

Leistungssportarten sind oft nicht inklusiv, sei es durch sozioökonomische Hürden im (Schul-)Sport oder durch homogene Sportteams, die weniger willkommenheißend gegenüber anderen Mitgliedern sind. Wie in allen Lebensbereichen habe ich auch im Laufsport Diskriminierung erlebt, z.B. durch den Trainer meines Uni-Teams, der meine Zeiten nicht maß. Beim Boston-Qualifikationsmarathon in Palermo kommentierten männlich gelesene Läufer mein Aussehen, was mich frustrierte – umso schneller bin ich an ihnen vorbeigelaufen.

Für mich sieht eine inklusive Laufgemeinschaft so aus wie eine inklusive Welt: Wenn ich einen Raum betrete, muss ich mich nicht nach Menschen umsehen, die wie ich aussehen, um mich wohlzufühlen. Glücklicherweise bin ich Teil einer vielfältigen Lauf-Community in Berlin - Daniel war mein*e erst*e Lauffreund*in - und habe tolle Freunde im Sport, für die ich sehr dankbar bin.

Banafshe Hourmazdi

Ich bin Banafshe Hourmazdi (sie/they), Schauspieler*in und Langdistanzläufer*in aus Berlin. Ich laufe seit 10-15 Jahren und seit 2 Jahren Langdistanz. Dadurch habe ich gelernt meinen Körper viel mehr zu achten. Nach meinem ersten 10k Race hätte ich nie gedacht, dass ich ein Jahr später einen Marathon laufe. Ich laufe allein und in Gruppen. Ein Vorteil an der Gruppe ist: es ist sicherer.

Daher bin ich sehr froh, Teil von Joy Run Collective zu sein. Joy Run will BIPOC im Laufsport fördern. Das Team ist für mich ein Ort des Lernens und Wachsens als Läuferin.

Als Teil eines Teams laufen bedeutet von anderen Läufer*innen zu lernen, anderen Läufer*innen zu helfen und Verbindungen zu knüpfen durch gemeinsame Erfahrungen und Engagement.

Es scheint leider immer noch wenige Sportler*innen of Colour zu geben. Ich bin dieses Jahr mit meinem Team ein Rennen gelaufen und wurde mehrfach von älteren weißen Männern angerempelt, sowas passiert also immer noch bei Laufwettkämpfen.

Beruflich reise ich viel und es ist interessant zu sehen, wie Städte gebaut sind und wessen Interessen berücksichtigt werden. Manchmal ist es fast unmöglich einen Park oder auch nur einen Weg zum Laufen zu finden. Gleichzeitig ist es vielerorts ungewöhnlich, als Frau allein in der Öffentlichkeit Sport zu machen. Daher bin ich als Frau mit iranischem Background umso stolzer Wettkämpfe zu laufen und Raum einzunehmen als Läufer*in.

Simon Naschberger

Hi. Servus. Ich bin Simon (he/him), ein queerer Läufer aus Österreich, der mit den Berlin Braves läuft. In meinen frühen Zwanzigern lebte ich in New York, London und Paris und fand meine queere Identität durch Feiern, harte Arbeit und das Ausreizen meiner Grenzen. Durch das Laufen habe ich gelernt, wie wichtig Bewegung, Ruhe und Ernährung sind. Es hilft mir, auf meinen Körper zu achten und eine Balance zu finden.

Inklusivität im Laufen bedeutet, Räume zu schaffen, in denen sich alle befähigt fühlen, ihre Ziele zu erreichen. Leider fühlen sich viele aufgrund gesellschaftlicher Barrieren und Traumata vom Laufen ausgeschlossen. Große Sportverbände behaupten zwar, inklusiv zu sein, aber es braucht einen grundlegenden Wandel, bei dem Organisationen LGBTQIA* Athlet*innen öffentlich unterstützen, Fehlverhalten anprangern und Trainer*innen dazu fördern, diesen Raum zu schaffen.

Queere Frauen* werden oft leichter akzeptiert, da Athletik meist mit Maskulinität assoziiert wird, ähnlich wie viele lesbische Stereotypen. Ein schwuler Mann hingegen wird in der Gesellschaft mit femininen Attributen in Verbindung gebracht, die als nicht vereinbar mit Sport gelten. Wann hat man je einen Sportler als „süß“ oder „sanftmütig“ gelobt? Genau.

Zum Glück habe ich keine direkte Diskriminierung erfahren, aber ich bemerke oft verinnerlichte Verhaltensweisen in der Gesellschaft. Menschen handeln oft aus Unwissenheit statt aus Boshaftigkeit. Anstatt wütend zu werden, überlege ich, wie ich ihnen helfen kann, inklusiver zu denken.

Van Randolf Tan

Mein Name ist Van (er/ihn), und ich bin ein queerer Langstreckenläufer von den Philippinen. Ich laufe gerne Marathons und Ultramarathons. Schon als Kind war ich ein begeisterter Läufer, doch erst vor ein paar Jahren habe ich meine Liebe zum Laufen wiederentdeckt. Jetzt ist es ein zentraler Teil meines Lebens und hat meine Identität stark beeinflusst.

Das Laufen hat mir geholfen, meinen Körper mehr zu schätzen. Früher wurde ich wegen meines Gewichts gemobbt, was mein Selbstbewusstsein schwächte. Laufen hat das verändert, indem es mir ermöglicht hat, ihn in einem positiven Licht zu sehen und seine Stärken zu feiern, anstatt mich auf vermeintliche Schwächen zu konzentrieren.

Leistungssport hat Fortschritte in Sachen Inklusion gemacht, wie die Einführung nicht-binärer Kategorien. Trotzdem fehlt es an queerer BIPOC*-Repräsentation. Strukturelle Barrieren erschweren den Zugang zu Training, Ressourcen und Support.

Als ich das Laufen wiederentdeckte, suchte ich nach Gruppen, um Gemeinschaft zu finden. Aber als Neuling war es schwer, Anschluss zu finden, da die Clubs nicht einladend wirkten und sich alle schon zu kennen schienen.

Eine inklusive Lauf-Community feiert Vielfalt und nimmt Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund, Alter, Körperbau und Niveau auf. Alle sollen sich wertgeschätzt und unterstützt fühlen. Mehr queere und BIPOC*-Leaders in der Lauf-Community sind auch für Repräsentation und Zugehörigkeit sehr wichtig.

Nico Citeroni

Hi, ich bin Nico (er/ihn) und bin in einem kleinen, sonnigen Dorf in der Nähe von Freiburg im Breisgau geboren und aufgewachsen. Neben meinem Hauptberuf als Projektmanager in einer Markenagentur biete ich Yoga- und Fitnesskurse an, um Menschen zu einem ganzheitlichen Wohlbefinden zu verhelfen.

In meinem Privatleben gehört Laufen mit meiner Familie, den “Berlin Braves”, dazu. Die erinnern mich jede Woche an die wunderbare Freiheit, die mir das Laufen schenkt.

Beim Laufen lerne ich die Stärke und Kraft meines Körpers zu nutzen, während das Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit meine Verbindung zu ihm vertieft. Durch das Laufen bekomme ich ein besseres Verständnis für die Fähigkeiten meines Körpers, aber auch für seine Grenzen.

Ich bin dankbar, dass ich persönlich bisher keine Diskriminierung oder Ausgrenzung in der Lauf-Community erlebt habe. Ich denke aber eher nicht, dass Leistungssport wirklich inklusiv ist. Viele Menschen können aufgrund der hohen Startgebühren und Reisekosten nicht einfach an einem Wettkampf teilnehmen.

Für mich sollte eine ideale, inklusive Lauf-Community alle Menschen einbeziehen, unabhängig von Geschlecht, Alter, Fähigkeiten, sexueller Orientierung, Einkommen oder ethnischem Hintergrund. Die wöchentlichen Trainings sollten in verschiedenen Stadtteilen stattfinden, und das Organisationsteam sollte genauso vielfältig sein wie die Mitglieder selbst.

Maria Arrachea

Ich heiße Maria (they/them), bin 21 Jahre alt und lebe in Berlin. Sport ist eine große Leidenschaft von mir, besonders Skaten, Surfen und Snowboarden haben es mir angetan. Vor kurzem habe ich auch mit dem Laufen begonnen und eine neue Leidenschaft für mich entdeckt.

Es gibt Momente, in denen ich meinen Körper ganz bewusst spüre und trotz aller Herausforderungen auf der Welt merke: Ich lebe.

Damit eine Laufgemeinschaft wirklich inklusiv ist, ist es sehr wichtig, dass alle einbezogen werden – BIPOC* Menschen, queere Menschen, Trans* Menschen, Menschen mit Behinderungen und viele weitere. Wir müssen uns mehr auf diejenigen konzentrieren, die weniger Zugang zu solchen Räumen haben.

Ist der Leistungssport inklusiv? Es liegt noch ein langer Weg vor uns, aber wir sind auf dem richtigen Weg.

Obwohl ich erst kürzlich mit dem Laufen begonnen habe, trainiere ich ausschließlich in einer Black FLINTA*-Laufgruppe. Um Diskriminierung zu vermeiden, habe ich mir bewusst einen solchen sicheren Raum gesucht.

Alice Drouin

Ich heiße Alice Drouin (sie/ihr) und bin die Projektleitung für den Bereich Sport beim Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg (LSVD). Ich leite die Kompetenz- und Koordinierungsstelle für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt im Sport, gefördert durch den Berliner Senat für Inneres und Sport. In dieser Funktion bin ich eine Schnittstelle zwischen Einzelpersonen im Berliner Sport, Vereinen, Verbänden, Behörden und weiteren Organisationen. Allen stehe ich für Beratung und Vernetzung zur Verfügung und vertrete die Interessen queerer Menschen im Berliner Sport.

Zudem werde ich durch die Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung (LADS) gefördert und biete Workshops an Schulen, Sportvereinen und -verbänden sowie weiteren Interessierten an. Einer meiner Schwerpunkte ist die diskriminierungsfreie Sprache im Sport, beispielsweise durch die SprachKick-Workshops, die wir gemeinsam mit KickIn anbieten.

Der LSVD Berlin-Brandenburg vertritt die Interessen von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans*- und intergeschlechtlichen sowie weiteren queeren Menschen (LSBTIQ*). Ziel ist es, dass alle Menschen ihre Lebensentwürfe selbstbestimmt und frei von Benachteiligungen und Diskriminierungen entwickeln können. Themen wie Aufklärung und Bildung, Angebote für Migrant*innen und Geflüchtete, Familie und Kinderwunsch sowie Politik und Netzwerke (u.a. Berliner Queer-Bündnis) liegen neben dem Sport im Fokus.

Glossar

Accessibility

Das Ausmaß, in dem eine Einrichtung für Menschen mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten oder für Menschen, die von Diskriminierung und Marginalisierung betroffen sind, leicht zugänglich und nutzbar ist.

Ally

Eine Person, die nicht Mitglied einer marginalisierten oder benachteiligten Gruppe ist, sich aber für diese Gruppe einsetzt oder sie unterstützt.

BIPoC*

Black, Indigenous & People of Colour; eine Selbstbezeichnung rassistisch unterdrückter Menschen.

Cisgender

Menschen, die sich mit dem Geschlecht, welches sie bei ihrer Geburt zugewiesenen bekommen haben, wohl fühlen und identifizieren.

Divers

Einen dritten Geschlechtseintrag neben „männlich“ und „weiblich“.

FLINTA*

Frauen, Lesben, intersexuelle, nicht-binäre, trans und agender Personen – alle, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität patriarchal diskriminiert werden.

Gender-nonconforming

Beschreibt Geschlechtsausdrücke, die außerhalb der binären Geschlechter liegen.

Inter*

ein Oberbegriff, der vielfältige intergeschlechtliche Realitäten und Körperlichkeiten einschließt.

Intersektionalität

Das Zusammenwirken mehrerer Unterdrückungsmechanismen.

Klassismus

Die Abwertung und Unterdrückung aufgrund der realen oder auch nur vermuteten sozialen Herkunft, Position oder sozialen Klasse.

LSBTIQ*

Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans, inter und queere Personen.

Nicht-binär

Beschreibt Geschlechtsidentitäten auf dem Spektrum neben binären Geschlechten.

Passing

„Zu passen“ bedeutet, in der Regel von Außenstehenden nicht als trans oder nicht-binär gelesen zu werden.

Queer

Bezeichnet Personen, deren sexuelle Orientierung nicht heteronormativ und -sexuell ist.

Trans*

Oberbegriff für Personen, deren Geschlechtsidentität nicht mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt. Trans* Menschen können ihren Körper mit ihrem wahrgenommenen Geschlecht durch Transitioning in Einklang bringen (Transition).

Diese Begriffe sind nur Orientierungshilfen und haben keinen Universalitätsanspruch. Kategorisierungen sind kritisch zu betrachten, jedoch werden Begriffe gebraucht, um unterschiedliche (Diskriminierungs-)Erfahrungen benennen zu können.

Auswahl an Anlaufstellen für Diversität und Laufcommunities

Regenbogenlaufgruppe
regenbogen@scc-events.com

Landessportbund Berlin
lsb-berlin.de

LSVD Berlin-Brandenburg
@respectinsports_berlin

Seitenwechsel e.V.
@seitenwechsel_berlin

Vorspiel – Queerer Sportverein Berlin e.V.
@vorspielqsvberlin

Charta für geschlechtliche Vielfalt im Sport
@charter_gender_diversity_sport

Sichtbar*sportlich
@sichtbar.sportlich

Berliner Queer-Bündnis
noah.heckhoff@lsvd.berlin

RUNN+
@runnplusgermanedition

Non-binary+ Run Club Berlin
@nbrcberlin

Berlin Braves
@berlinbraves

Joy Run Collective
@joyruncollective

THE GOOD RUN
@thegoodrun_eu

PACE Berlin
@paceberlin_

Fresh Patterns Collective
@thefreshpatternscollective

DNA – Running Collective Berlin
@dedicationnattitude

BLACK CANARY
@030blackcanary

FLINTA Running
@flinta_running

fierce run force
@fiercerunforce